WiSe 2021, Donnerstags, 14:15–17:45, Raum: 1321/1322

Im Forschungsseminar „Production Studies: Praktiken und Instrumente der szenischen Auflösung“ werden aktuelle Praktiken der szenischen Auflösung in Film-, Fernsehfilm- und Serienproduktionen untersucht. Unter anderem soll es darum gehen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Detailliertheit die Auflösung vorbereitet wird, wie die verschiedenen Instanzen (Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt und Produktion) dabei interagieren, welche Hilfsmittel und Instrumente (Shot List, Story Board, Floor Plan, Computermodelle etc.) zum Einsatz kommen und welche Rolle die Auflösung für den Dreh und den Schnitt spielt.
Die Studierenden erlernen Theorien, Methoden und Techniken der Production Studies und wenden diese selbständig an. Soweit möglich, sollen sie in kleinen Teams bei einer Produktion (idealerweise sowohl bei der Drehvorbereitung wie beim Dreh) hospitieren und im Vorfeld oder im Anschluss Interviews mit den Beteiligten führen. Die Ergebnisse werden in Projektberichten verschriftlicht.

Anforderungen: regelmäßige aktive Teilnahme, Projektdurchführung, schriftlicher Projektbericht

Das Medienhandeln Jugendlicher steht immer wieder im Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschung und Analyse. Neben den deskriptiven Untersuchungen zur Mediennutzung[1] gibt es eine Reihe von theoretischen Zugängen, die das Medienhandeln Jugendlicher nachvollziehbar und erklärbar machen können. Dabei ist die besondere Herausforderung die stets schnelle und oft radikale Wandlung der medialen Angebote in mediatisierten Welten (Hepp, 2013) zu berücksichtigen. Ein Ansatz, sich dem jugendlichen Medienhandeln unter diesen Voraussetzungen zu nähern, ist die von Kommer (2013) und Biermann (2009, 2020) eingeführte und mittlerweile weiterentwickelte[2] Idee eines medialen Habitus. Anknüpfend an Bourdieus Habitus-Theorie (Bourdieu, 1983, 1987a) wird das Medienhandeln hier als soziokulturell-determiniert betrachtet (Kommer & Biermann, 2012). Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass neben der reinen Quantität der Nutzung verschiedener Inhalte, auch deren Lesart und Interpretation berücksichtigt werden können. Habitus nach Bourdieu ist aufs engste mit der Ausstattung von Kapital[3] verknüpft (ökonomisches, soziales, kulturelles und symbolisches Kapital) und wird im Geschmack sichtbar nach außen getragen. Dabei erhält der Habitus erst durch Abgrenzung von anderen, durch Distinktion seine soziale Bedeutung (Bourdieu, 1976, 1987a, 1987b; Scherer, 2013). Hinsichtlich eines medialen Habitus könnte dies bedeuten, dass auch das Medienhandeln mit dem Bedürfnis nach Distinktion verbunden ist. Nur so ließe sich dem medialen Habitus eine soziale Bedeutung beimessen, indem das medien-ökonomischemedial-soziale und medien-kulturelle Kapital in symbolisches Medienkapital transferiert wird. Da Abgrenzung und Distinktion eine wesentliche Entwicklungsaufgabe in der Adoleszenz darstellen (Dreher & Dreher, 1996; Havighurst, 1982) und auch in Peergroups, Jugendkulturen und -szenen eine zentrale Rolle spielen, ist anzunehmen, dass ein medialer Habitus (der sich bereits im Kindesalter auszugestalten beginnt) zentral für das Medienhandeln Jugendlicher ist. Der soziale Habitus als Unterscheidungsmerkmal sozialer Milieus kann entsprechend auch als (medialer) Habitus innerhalb von Peergroups verstanden werden (Schulze, 1992; Vogelgesang, 2008). Unter der Berücksichtigung, dass auch Geschmack(also auch die Vorliebe für bestimmte Medien) das Produkt von Sozialisationsprozessen ist (Bourdieu, 1983, 1987a; Kommer, 2013; Rehbein, 2006) und für diese die Phase der Adoleszenz maßgeblich, stellt sich die Frage, ob Jugendliche Medien (auch) nutzen, um sich abzugrenzen? 

In dem Seminar „Rezeptionsforschung – Der mediale Habitus jugendlichen Medienhandelns“, wollen wir uns dieser Frage exemplarisch stellen und herausfinden, wie sich diese methodisch beantworten ließe. Den theoretischen Hintergrund erarbeiten wir in den ersten Sitzungen gemeinsam: Hierzu werden kurze Gruppenreferate zu spezifischen, o.g. Theoriebausteinen von den Studierenden und Präsentationen durch den Dozenten genutzt. Weitere zwei bis drei Sitzungen werden wir der Methodologie widmen, um gemeinsam zu recherchieren und zu überlegen, mit welchen methodischen Ansätzen wir uns der Frage nach abgrenzender Mediennutzung durch Jugendliche sinnvoll nähern können. Wesentlicher Bestandteil des Seminars ist die anschließende Durchführung mehrerer Teilstudien in Gruppen (voraussichtliche 3-4 Gruppen mit je einer Teilstudie). Im Forschungsbericht (Modulabschluss) werden die Vorgehensweisen der einzelnen Teilstudien detailliert beschrieben und reflektiert (auch hinsichtlich des Zieles, die Forschungsfrage zu beantworten) und die Ergebnisse der Teilstudien zusammengefasst. Die Verschriftlichungen der Gruppenreferate bilden den Theorieteil des Forschungsberichtes, die Zusammenführung der Teile/Schlussredaktion erfolgt durch die Studierenden.



[1] JIM Studie (MPFS, 2020), ARD/ZDF-Onlinestudie (Beisch & Schäfer, 2020; Koch & Beisch, 2020; Reichow & Schröter, 2020), EU-Kids Online (Hasebrink, Lampert, & Thiel, 2019), Shell Studie (Hurrelmann et al., 2019), DIVSI U25-Studie (Otternberg, Schmölz, & Borgstedt, 2018).

[2] Für einen aktuellen Überblick siehe Trültzsch-Wijnen (2020).

[3] Siehe hierzu ausführlich (Bourdieu, 1983) einen Überblick vermittelt Fröhlich (1994).